„Betet und arbeitet“ hatte Benedikt von Nursia (480–547) seine Mönche in der Abtei Montecassino angewiesen. Bis Ende des 10. Jahrhunderts folgten die europäischen Klöster den klaren Vorgaben der Benediktsregel. Jedenfalls theoretisch. Die Praxis sah oft anders aus. Dank der schreib- und lesekundigen Mönche und Nonnen waren Klöster zu Bildungs- und Wirtschaftszentren geworden. Sie kamen zu Geld und Macht, was einem gottgefälligen Leben abträglich war.Unzählige Gläubige fühlten sich von Ordensleuten, die in Saus und Braus lebten, abgestoßen. Auf diesem Nährboden der Unzufriedenheit sprossen im 11. und 12. Jahrhundert völlig neue Ordensgemeinschaften – Bettelorden wie Franziskaner und Dominikaner sowie die Reformorden der Kartäuser, Zisterzienser und Prämonstratenser.Norbert von Xanten gründete den Prämonstratenserorden 1120/1121. Er stammte aus einer gut situierten Familie in Gennep (Niederlande). Als er zwölf Jahre alt war, schickten ihn seine Eltern in das Chorherrenstift St. Viktor in Xanten. Das geschah weniger aus religiöser Überzeugung als aus praktischen Überlegungen: Norbert hatte einen älteren Bruder, der die weltliche Laufbahn einschlagen sollte. Der jüngere wurde in der exklusiven Ordensgemeinschaft standesgemäß versorgt.Tatsächlich änderte sich in Xanten für den jungen Adelsspross nicht viel. Das Stift St. Viktor war kein Mönchs-, sondern ein Priesterorden für die Kleriker des Doms zu Xanten. Dessen Mitglieder, Kanoniker genannt, verfügten über Privatbesitz, kleideten sich vornehm und genossen reichhaltiges Essen. Norberts Karriere ließ sich gut an; er kam als Subdiakon an den Hof des deutschen Kaisers Heinrich V.