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Vor 900 Jahren - 1122

Die Stiftskirche

Anfänge – Ausstattung – Schutzheilige.

1122 übergaben die Grafen von Cappenberg ihren Besitz und ihre Burg dem Gründer des Prämonstratenserordens, Norbert von Xanten. Die Grundsteinlegung für die Stiftskirche erfolgte am 15. August 1122 durch Bischof Dietrich von Münster; 1149 war der Bau vollendet. Ausgrabungen haben ergeben, dass die Kirche „genau auf der Stelle der früheren Burg liegt“, so heißt es in der Fachliteratur. Das Gotteshaus wurde als romanische Basilika mit kreuzförmigem Grundriss errichtet. Da sich trotz einschneidender gotischer Umbauten der ursprüngliche Kern erhalten hat, gilt Cappenberg neben der Stiftskirche von Freckenhorst als wichtiges Beispiel romanischer Kirchenarchitektur aus dem 12. Jahrhundert in Westfalen.

Im Inneren der Stiftskirche sind die romanischen Elemente sehr präsent. (Foto: Schwarze)
Der gotische Chor der Stiftskirche. (Foto: Schwarze)

Den Eindruck romanischer Baukunst vermitteln noch die Rundfenster am Querhaus und in der oberen Fensterreihe des Langhauses. Gekennzeichnet ist diese Baukunst vor allem durch ein kompaktes Mauerwerk und spärliche Fensteröffnungen. Ganz anders wirkt dagegen der gotische Chor mit seinem 5/8-Abschluss aus dem 14. Jahrhundert. Hier zeigt sich die Vorliebe der Gotik für eine Auflösung der Wandfläche zugunsten hoher Fensterbahnen, gehalten von filigranem Maßwerk. Im Vergleich dazu wirken die romanischen Teile karger – was der Strenge eines Reformordens, wie es die Prämonstratenser waren, entgegengekommen sein wird. Im Kircheninneren wirken die romanischen Elemente mit ihren mächtigen, viereckigen Pfeilern und von ihnen gehaltenen Rundbögen noch präsenter.

Ursprünglich wurde die Kirche dem Schutz von Maria, Petrus und Paulus unterstellt. Otto von Cappenberg widmete das Patrozinium später um und machte den Evangelisten Johannes zum Schutzheiligen. Nach Ansicht der Historikerin Hedwig Röckelein verfolgte er damit bestimmte Absichten: Johannes war im 12. Jahrhundert einer der beliebtesten Heiligen. Und Otto hatte gute Gründe, diesen in den Vordergrund zu rücken. „Es gab bereits einen markanten Heiligen in Cappenberg – Gottfried, den Stiftsgründer“, erklärt Röckelein. Um mit dem Ruhm des verstorbenen Bruders mitzuhalten, musste Otto sich etwas Neues einfallen lassen. Und der Imagewandel gelang: Schon im Mittelalter hielten die Menschen beide Brüder für die Stifter.Seit 1149, nach der Translation der Reliquien Gottfrieds von Ilbenstadt nach Cappenberg, diente die Kirche als Grablege des Stiftsgründers. Otto wurde 1171 ebenfalls dort begraben. Das Doppelgrab der beiden Brüder befand sich an zentraler Stelle im Chor. Eine Deckplatte des Grabes aus der Zeit um 1315 hat sich erhalten. Sie befindet sich heute an der südlichen Chorwand und zeigt das Relief der beiden Grafen, die gemeinsam ein Kirchenmodell tragen.

Dieses Relief zierte einst als Deckplatte das Doppelgrab der Stiftsgründer Gottfried und Otto von Cappenberg. (Foto: Schwarze)

Aufgrund der prominenten Lage ihres Grabes waren die Stiftsgründer sozusagen im Geiste bei den Gebeten und Messfeiern der Chorherren anwesend. Diese bildliche Vergegenwärtigung spielte in der Vorstellungswelt des Mittelalters eine entscheidende Rolle beim Totengedenken. Sie hielten nicht nur das Andenken wach, sie sollten auch die Gebete für das Seelenheil der Dargestellten befeuern. Eine ähnliche Funktion hat möglicherweise der Barbarossa-Kopf erfüllt, der im südlichen Querhaus ausgestellt wird. Als Memorialbild des Kaisers könnte er die Chorherren an Gebete zugunsten ihres hochrangigen Wohltäters erinnert haben.
Zu hochwertigen Ausstattung der Stiftskirche zählt auch die Grabplatte Gottfrieds von Cappenberg. Ursprünglich diente sie wohl als Deckel der Tumba, also des freistehenden Hochgrabes, der Stiftsgründer. Nachdem dieses 1315 die neue Doppelgrabplatte erhalten hatte, wurde die Einzelfigur in ein Klostergebäude ausgelagert. Bei Umbauarbeiten im 19. Jahrhundert wurde die Platte beschädigt, später repariert und wieder in der Kirche aufgestellt. Gottfried ist bezeichnenderweise nicht als Chorherr dargestellt, sondern als jugendlicher Ritter in der eleganten höfischen Aufmachung des 12. Jahrhunderts. Er trägt ein langes Gewand, darüber einen mit dekorativen Spangen gehaltenen Umhang. An einem verzierten Gürtel hängen ein Schwert und ein Dolch, Zeichen des Kriegerstandes, dem Gottfried ursprünglich angehörte. In seiner Rechten hält der Stiftsgründer einen kreuzförmigen Sockel, der als Stütze für den Barbarossa-Kopf gedacht war.Die Stiftkirche darf sich außerdem rühmen, das wohl reichste Chorgestühl Westfalens zu besitzen. Mit seinen zahlreichen figürlichen und ornamentalen Darstellungen ist es darüber hinaus eines der am besten erhaltenen Chorgestühle in der Region. Das gesamte Ensemble wurde 1509 von einem Meister Gerlach begonnen und im Jahr 1520 aufgestellt. Stilistische Vergleich haben ergeben, dass es von der niederrheinischen Kunst beeinflusst worden ist. Von besonderem Interesse sind die mehr als 40 Misericordien – kleine Stützbretter unter den Klappsitzen, an die sich die Mönche während des Stehens anlehnen konnten. Die meisten zeigen Dämonen, Drachen, Teufel. Sie sind keine satirischen Spielereien der Bildschnitzer. In der krisengeschüttelten Welt um 1500 diente das hier gezeigte Böse den Mönchen als Warnung vor Sittenlosigkeit.